Stephanskirchen verlässt bewährten Integrationsweg: Ein Rückschritt?

Beitrag im Gemeindekurier der Gemeinde Stephanskirchen im Juni 2024

In den vergangenen Jahren hat die Gemeinde Stephanskirchen einen individuellen und erfolgreichen Ansatz zur Integration geflüchteter Menschen verfolgt. Der sogenannte „Stephanskirchner Weg“ setzte auf die dezentrale Unterbringung der Neuankömmlinge, was sich als äußerst effektiv erwiesen hat. Durch diese Methode konnten die geflüchteten Menschen nicht nur besser in die Gemeinde integriert werden, sondern auch die Bevölkerung von Stephanskirchen fühlte sich in den Prozess einbezogen und unterstützt. Doch nun scheint die Gemeinde von diesem erfolgreichen Pfad abzuweichen.

Erfolgsmodell auf dem Prüfstand

Seit 2015 wurden geflüchtete Menschen in Stephanskirchen dezentral untergebracht. Diese Strategie ermöglichte eine engere Vernetzung der Neuankömmlinge mit der örtlichen Bevölkerung, was zu hervorragenden Ergebnissen bei der Integration und Anerkennung auch in anderen Landesteilen führte. Einige Wohnungen die ursprünglich als Erstunterkünfte dienten, wurden später zu Folgewohnungen umfunktioniert. Dies erleichterte den Menschen mit anerkanntem Asylstatus die Integration, da sie nicht noch um unsichere Wohnverhältnisse bangen mussten.

Zentralisierte Unterbringung – Ein Schritt zurück?

Trotz der positiven Erfahrungen mit der dezentralen Unterbringung sieht sich die Gemeinde nun dazu gezwungen, voraussichtlich die Pläne des Landratsamtes, eine zentrale Sammelunterkunft zu betreiben, umzusetzen. Dies geschieht entgegen der Tatsache, dass Sammelunterkünfte größere Herausforderungen bergen. Eine zentrale Unterbringung kann zur Isolation der Menschen führen und ihre Integration erschweren, was im Umkehrschluss das Unwohlsein in Teilen der Bevölkerung verstärken kann. Migration, die ein wesentlicher Bestandteil wirtschaftlichen Aufschwungs ist, wird so unnötig problematisiert.

Die Gemeinde hätte nach ihrem Willen gestalten können, wären in den letzten Jahren proaktiv Unterkünfte geschaffen worden. Die Notwendigkeit war sicherlich nicht zu übersehen. Doch es ist fraglich, ob dies eine Mehrheit im konservativ agierenden Gemeinderat gefunden hätte.

Migration als Gewinn für alle

Die Frage wie Migration so gestaltet werden kann, dass alle Beteiligten profitieren ist von zentraler Bedeutung. Kommunen können durch Zuwanderung gewinnen, nicht nur durch die notwendige Arbeitskraft, sondern auch aus einer menschlichen und humanistischen Perspektive. Die Landesregierung sollte hier unterstützend tätig werden, um erfolgreiche Modelle wie den „Stephanskirchner Weg“ zu fördern und zu finanzieren. Eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt ist entscheidend. Asyl- und Arbeitsmigration müssen harmonisiert werden, denn die Motive der Migrant:innen sind oft vielschichtig. Wir können nicht auf der einen Seite Menschen abwehren und gleichzeitig erwarten, dass die gewünschten Arbeitsmigrant:innen von alleine kommen. Unter den viel beschworenen Pull-Effekten ist nur ein einziger wissenschaftlich belegbar: Arbeitsplätze. So wird sich Deutschland (und Stephanskirchen) auch wenn es international für Migration als unattraktiv gilt (Platz 50 der 53 stärksten Wirtschaftsnationen laut Netzwerk InterNations), mit einer zukunftsorientierten und humanistischen Migrationspolitik beschäftigen müssen, um auch langfristig Wohlstand zu erhalten.

Gelungene Projekte von Zentralunterkünften

Auch wenn dezentrale Unterkünfte die Integration geflüchteter Menschen erleichtern, gibt es dennoch erfolgreiche Projekte von Zentralunterkünften. Hier könnte die Verwaltung und der Gemeinderat Ideen und Möglichkeiten abschauen. So steht der Vorstand des Grünen Ortsverbandes und Expertinnen aus Rosenheim im Austausch mit dem Vorstand des Erfolgsprojekts aus München: „Bellevue di Monaco“. Hier wird Wohnen, Arbeiten, Sport und Feiern – kurzum das soziale Miteinander über kulturelle Grenzen hinweg gelebt. Dieses Projekt kann daher als „Best Practice“ dienen, wie die Integration geflüchteter Menschen in einem Sozialraum erfolgreich gelingen kann. Eine Exkursion zum „Bellevue“ planen wir für unseren Ortsverband und wünschen uns, dass auch Entscheidungsträger:innen der Gemeinde sich anschließen, um zu lernen und abzuwägen was in Stephanskirchen trotz der örtlich prekären Lage der Unterkunft in einem Industriegebiet umsetzbar ist.

Fazit: „Stephanskirchner Weg“ als Vorbild

Die Frage, wie unser Land und unsere Kommune für Migration ertüchtigt werden kann, bleibt zentral. Der „Stephanskirchner Weg“ hat gezeigt, dass dezentrale Unterbringung und die Schaffung von Bleibeperspektiven wichtige Bausteine sind. Als wohlhabende Kommune könnte Stephanskirchen weiterhin Vorbild sein und agieren, anstatt sich von bewährten Methoden abzuwenden und nur zu reagieren.

Stephanskirchen sollte weiterhin am „Stephanskirchner Weg“ festhalten, dezentrale Unterkünfte perspektivisch prüfen, mutig den „Stephanskirchner Weg“ weiterdenken und zudem die Erfahrungen der Migrant:innen, die Bedürfnisse der Bevölkerung sowie die Anforderungen der Wirtschaft und Industrie berücksichtigen. Nur so kann Migration gelingen und zu einem Gewinn für alle werden.

Gerne laden wir am Donnerstag, den 04.07.24 ab 19.30 Uhr wieder herzlich zu unserem Grünen Stammtisch ins Sapori Antichi, Fabrikstraße 10 in Thansau ein. Dort können wir Ideen und Entwicklungen unserer Gemeinde weiterdenken und diskutieren.

Wir freuen uns auf euch oder dich!

Patrick Becker und Nicole Eckert

Stephanskirchner Ortsvorstand und Gemeinderätin von Bündnis 90/Die Grünen

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